Nach einer langen Reise und einer seeehr späten Ankunft in der „Höhle“, unserem Quartier, holte uns heute morgen recht zeitig der Wecker aus dem Bett.... Kurz einen Kaffee, parallel zum Zähneputzen und nebenbei anziehen, und los ging es in Richtung Jumilla. Wir trafen uns mit Irene, der Tierheimleiterin, zum Frühstück, wobei wir die Zeit für eine Lagebesprechung und der Planung des Tages nutzten. Anschließend wurden lustige Dinge wie Fahnen, Girlanden, Regenschirme und Windspiele eingekauft, um später im Tierheim die extrem reizarme Umgebung für die Hunde, speziell die Welpen, etwas realitätsnäher zu gestalten. Kampf dem Deprivationsschaden! Im Tierheim angekommen wurden besonders die Jumilla-Erstlinge von den vielen, extremen Eindrücken erschlagen. Bellende, jaulende Hunde, die am Zaun auf und ab rennen... Zum Teil müssen die Hunde in der Toilette oder dem Waschraum wohnen, weil einfach kein Platz ist! Die Tierheimmitarbeiter und die freiwillige Helfen sind wahnsinnig bemüht und einfühlsam, aber auch sie können nicht zaubern. Nachdem wir allerdings die ehemalige (Gott sei Dank!!) Tötungsstation – ein kleiner Betonschuppen, mitten auf dem Feld in der prallen Sonne mit winzigen „Boxen“ aus Beton, angeordnet wie ein Ikea- Billy-Regal, in denen die Hunde teilweise vierzehn Tage vor sich hin vegetieren mussten bis sie mit vergiftetem Fleisch (Rattengift) vergiftet und sich selbst überlassen wurden …. ein Graus! - begutachtet hatten sahen wir das Ganze aus einer anderen Perspektive – alles ist eben relativ... Zurück im Tierheim starteten wir also mit der Begutachtung einiger Hunde und waren (wieder einmal) überwältigt, dass so viele Mäuse trotz ihrer zum Teil dramatischen Vergangenheit und dem harten Leben im Tierheim uns so aufgeschlossen und freundlich begegneten! Wir gingen spazieren, machten Fotos, bürsteten übrig geblieben Unterwolle raus um den Hunden die wahnsinnige Hitze etwas erträglicher zu machen, testeten dabei deren Toleranz bezüglich Brustgeschirr anziehen und generellem angefasst werden und schrieben alles auf, um die Hunde auf Vermittelbarkeit zu prüfen und sie später möglichst genau beschreiben zu können. Mittags kam ein Kamerateam des örtlichen Fernsehens um über unsere und die Arbeit des Tierheims zu berichten. Anschließen hatten wir ein Date mit den Tierärzten des Dorfes. Wir berieten und besprachen das geplante Kastrationsprojekt – ein voller Erfolg, tolle Kooperation! Das macht Hoffnung!!! Später, in der Höhle angekommen, wurde zwischen Dusche, Schreibarbeit, Fotos sortieren und Arbeit am PC geswitcht. Nach einem netten und sehr leckeren veganen Abendessen mit allen deutschen und spanischen Hundemenschen fallen wir nun totmüde ins Bett. Morgen wird der Wecker wieder recht zeitig klingeln und es beginnt ein neuer Tage mit vielen schönen und traurigen Eindrücken....
Der Tag startete wieder mit einem viel zu früh klingelden Wecker nach einer sehr kurzen Nacht – Fotos sortieren sich eben nicht von alleine …. Wir brachen also auf in unser Frühstückslokal, wo wir Irene zu einer Besprechung der aktuellen Anliegen und der bevorstehenden Aufgaben trafen. Erstes Thema waren die Welpen. Da es im Tierheim mangels Platz leider keine Quarantänestation gibt fristeten die beiden Mäuse, die später am Tag noch einen Namen bekamen, ihr Dasein in einer kleinen Kennelbox aus Gitterstäben. Dort drinnen befand sich Zeitungspapier und ein Spielzeug. Wasser bekamen die Jungs so oft es ging gereicht – ein Napf in der Box führte jedes Mal unweigerlich zu einer kompletten Überschwemmung und damit zu nassen „Schlafplätzen“ (Zeitungspapier). Leiden gingen sich die beiden Zwerge recht schnell ziemlich auf den Keks, kein Wunder bei dieser reizarmen Umgebung mit nullkommanull Beschäftigungsmöglichkeiten. Dieser Zustand ließ sich nur schwer ändern, wir gaben Tips wie man die beiden mit in Zeitungspapier eingewickeltem Futter oder einem Kong bei Laune halten kann, aber auch für solche Kleinigkeiten ist im Tierheim mangels Personal einfach wenig Zeit. Auf dem Boden rumlaufen ging auch nicht – viiiiel zu viele Ansteckungsmöglichkeiten. Leider sind Staupe und Parvovirose in Spanien an der Tagesordnung. Uns blieb also nichts anderes übrig als die beiden kleinen Chaoten zeitweise zu trennen, damit jeder seine Mütze Schlaf bekommen konnte, ohne dass der Bruder ihm ein Ohr abkaut oder am Bein hängt…. Punkt zwei den es zu besprechen galt war das massive Problem der Deprivation bei Tierheimhunden. Kommen die Hunde als Welpe ins Tierheim und lernen in der so wichtigen Sozialisationsphase (etwa 3.-12. Lebenswoche) nur Beton, Gitterstäbe und einen einzigen Menschen kennen haben sie später enorme Probleme, sich im Alltag mit vielen Geräuschen, Gerüchen und unterschiedlichen Menschen, zurecht zu finden. Wir berieten also, wie man auch die Tierheimmitarbeiter diesbezüglich sensibilisieren und mehr Reize in den Alltag der Hunde integrieren könnte. Außerdem beratschlagten wir mit Irene, wie man die Beurteilung und Beschreibung der Hunde noch effektiver gestalten könne, um den möglichen Adoptanten ein genaueres Bild über den Hund zu verschaffen. Anschließend fuhren wir ins Tierheim. Dort hieß es wieder Spazierengehen, Notizen machen, hübsche Fotos schießen, mögliche Interessenten mit Infos versorgen, Einträge bei Facebook erstellen und aktualisieren und so weiter. Außerdem machten wir uns dran, im Auslauf die gekauften Fahnen, Girlanden, Windspiele, Regenschirme und allerhand anderen Kram aufzuhängen, um den Hunden in ihrer tristen Umgebung mehr Reize zu schaffen und damit den Deprivationsschäden so gut es geht vorzubeugen. Ein Highlight des Tages war die Versteigerung der Namen für die beiden Welpen – der Meistbietende über Facebook durfte die Namen aussuchen. Die beiden heißen jetzt also Walter und Henry! Zwischendurch kam ein Welpe, welcher zur Zeit auf einer Pflegestelle auf seine Ausreise nach Deutschland wartet, zu Besuch. Wir machten Fotos und versorgten die Adoptanten, welche den kleinen Feivel bereits sehnlich erwarten, mit aktuellen Bildern und Informationen. Abschließend begannen wir die Entwicklung der Angsthunde seit unserem letzten Besuch zu begutachten und zu schauen, ob eventuell mittlerweile ein Stand erreicht ist, welcher eine Vermittlung zulässt. Leider besteht auch hier wieder das Problem der zu wenigen Helfer und der mangelnden Zeit – ein endloser Kreislauf. Keine Helfer die mit den Hunden trainieren – also keine vermittelbaren Hunde – dieser werden zu Dauerinsassen – das Tierheim wird immer voller – die Helfer die es gibt haben noch mehr zu tun und immer weniger Zeit für „Extras“ wie Training und Spaziergänge….Nachdem wir abends zu Hause angekommen waren zwei von uns los um noch eine Pizza für jeden zum Abendessen zu holen. Auf dem Rückweg tauchte ein am Boden liegender Hund im Scheinwerferlicht des Autos auf. Wir drehten sofort und sprangen aus dem Auto um zu helfen – der kleine Beagle war aber leider schon tot. Die Besitzer kamen dazu und berichteten unter Tränen, dass Nala weg gelaufen sei nachdem einige Feuerwerkskörper gezündet wurden. Schockiert und traurig fuhren wir also wieder heim und aßen schweigend unsere Pizza. So viel Leid auf einmal ist einfach schwer zu ertragen….
….und auch am dritten Tag war es wieder der unsensible Wecker, der uns aus dem Bett riss… Es folgte wieder das Frühstück mit Irene und ein beiderseitiges Update. Anschließend widmeten wir uns im Tierheim wieder unseren Aufgaben: Spazierengehen, Fotos machen, Interneteinträge aktualisieren, mit Adoptanten schreiben, die Daheimgebliebenen auf dem Laufenden halten und und und… Von Irene bekamen wir noch zusätzliche Infos, von welchen Hunden, auch von den sehr ängstlichen, dringend neue Fotos benötigt wurden. Wir arbeiteten also die Liste ab. Dabei fiel uns auf, dass bei einer Hündin mit bereits bekannter massiver Hauterkrankung deutlich blutige Umfangsvermehrungen am Bauch zu finden waren. Außerdem ließ sich ein kleiner Tumor in der Gesäugeleiste ertasten sowie ein weiterer unter der Haut über den Rippen. Da die Tierheimmitarbeiter, wie immer aus Personal- und Zeitmangel, selten die Gelegenheit haben, die Hunde derart genau zu untersuchen hatte dies wohl bis dato noch keiner bemerkt. Auch solche medizinischen Dinge, wie eben das Abtasten der Hunde, die Kontrolle der Zähne – die meisten Hunde leiden unter massivem Zahnstein -, das Kürzen der Krallen, die Kontrolle der Ohren etc… welche unter uns Hundehaltern zum Alltag gehören, gehen neben den täglichen Putzarbeiten und dem Verabreichen der verordneten Medikamente leider unter bzw. sind einfach nicht zu schaffen. Wir besprachen uns umgehend mit Irene, welche eine Untersuchung der Hündin Picota beim Tierarzt in den darauf folgenden Tagen in die Wege leitete. Auch fielen uns zwei Hunde auf, welche wir am vorherigen Tag spazieren geführt bzw. fotografiert hatten. Havana schien deutlich apathischer als am Vortag, sie schlief trotz des Trubels um sie herum nahezu den ganzen Tag und zeigte wenig Interesse an uns. Auch der kleine, fröhliche Karl machte einen merkwürdigen Eindruck. Er hatte am Vortag, nach der Aufregung des Spaziergangs, mehrfach erbrochen und schien nun deutlich verspannt in der Magengegend. Wir gaben diese Infos an Irene und auch den (nahezu immer!!) diensthabenden Tierpfleger weiter. Sie versprachen, die Symptome zu beobachten und, falls keine Besserung erkennbar sein sollte, sofort den Tierarzt zu informieren. Glücklicherweise erreichte uns gleich am nächsten Tag die Info, dass es sowohl Havana als auch Karl deutlich besser ginge. Es war wohl einfach zu aufregend, einen zehnminütigen Spaziergang zu erleben und einige Futterbelohnungen zu erhalten... Solche Kleinigkeiten stellen im Alltag der Tierheimhunde eine solche Aufregung dar, dass das schonmal auf den Magen schlagen kann. Wir nutzten die restliche Zeit um mit einigen sehr ängstlichen Hunden zu trainieren. Zum Teil war es nur möglich, sich eine Weile regungslos zu ihnen in den Auslauf zu setzen und etwas Futter zu verstreuen, welches die Hunde suchen konnten. Andere waren schon so mutig, wie die beiden Galga-Damen Shiva und Selma (Letztere wurde mit eingewachsenem Halsband gefunden und ins Tierheim gebracht. Das Halsband musste operativ entfernt werden!) , dass sie sich nähern und mit gaaaaannz lang gestrecktem Hals Futter aus der Hand nehmen konnten. Hier konnten wir nach einiger Zeit sogar schon ein Brustgeschirr ins Spiel bringen, um dessen reine Anwesenheit und das in der Hand halten während der Hund daneben frisst zu trainieren. Es wurde wieder einmal deutlich, wie freundlich die Hunde trotz der grausamen Vorgeschichte waren. Wäre doch nur ein wenig Zeit, das Training fortzusetzen, hätten einige der kleinen Angsthasen sicher bald eine Chance, ein behütetes Leben in einer Familie zu führen, ohne ständigen Stress und Angst. Nun, da der Abschied nahte, nahmen wir uns alle etwas Zeit für uns. Jede verkrümelte sich an einen anderen Ort, um noch einmal ein wenig Zeit mit den lieb gewonnenen Hunden zu verbringen und die Tatsache zu akzeptieren, dass wir sie doch wieder alle dort lassen mussten. Einige Tränen flossen, während wir uns im Stillen entschuldigten, dass wir nicht mehr für sie tun konnten. Wir werden weiterhin unser Bestes geben, für all die treuen Seelen, die dort im Tierheim sitzen, das Bestmögliche zu tun und im besten Falle ein kuscheliges Sofa mit einem liebevollen Menschen für sie zu finden!
Die Reisegruppe von „PfotenNot e.V.“